Steuerbefreiung podologischer Behandlungen

Podologische Behandlungen steuerfrei auch ohne ärztliche Verordnung - eine vorläufige Gestaltungsempfehlung

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 05.02.2015 (Aktenzeichen 4 K 75/12) entschieden, dass podologische Behandlungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerfrei sind, wenn sie der Behandlung einer Erkrankung am Fuß des Patienten dienen. Erfolgen die Behandlungen bei Patienten mit anderweitigen Erkrankungen zum Zweck der Vorbeugung von Gesundheitsstörungen, so sind sie nur bei unmittelbarem Krankheitsbezug steuerfrei.
Die Steuerfreiheit podologischer Behandlungen wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass diese Behandlungen nicht aufgrund einer ärztlichen Verordnung erfolgt sind, da sich ein solches Nachweiserfordernis für das Vorliegen einer Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin bei Leistungen arztähnlicher Berufe weder aus dem Wortlaut des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG noch aus dem Zweck der Vorschrift, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken und diese Behandlungen dem Einzelnen zugänglicher zu machen, ableiten lässt (entgegen BMF-Schreiben vom 19. Juni 2012, BStBl I 2012, 682 und Abschn. 4.14.1 Abs. 4 Satz 8 und 9 UStAE).
Im zugrunde liegenden Fall erfolgten die Behandlungen teilweise auf der Grundlage von ärztlichen Verordnungen. Zu den verordnungsfähigen Maßnahmen der podologischen Therapie gehörten die Hornhautabtragung zur Vermeidung von drohenden Hautschädigungen und die Nagelbehandlung zur verletzungsfreien Beseitigung abnormer Nagelbildungen zur Vermeidung von drohenden Schäden an Nagelbett und Nagelwall. Voraussetzung für die Verordnungsfähigkeit war die Diagnose eines diabetischen Fußsyndroms mit der Funktionsstörung der Hyperkeratose bei der Hornhautabtragung und des pathologischen Nagelwachstums bei der Nagelbearbeitung. Ferner wurden Patienten behandelt, bei denen die betreffenden Leistungen weder aufgrund einer Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers noch im Rahmen einer Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahme erbracht wurden. Die Behandlung erfolgte in diesen Fällen aufgrund von Vorerkrankungen der jeweiligen Patienten, nach denen die Patienten folgenden Kategorien zuzuordnen sind: Bluter (Nr. 1), Chemotherapie (Nr. 2), Cortison (Nr. 3), Diabetes (Nr. 4), Durchblutungsstörungen/pAVK (Nr. 5), Hühneraugen (Nr. 6), Immunsuppressiv (Nr. 7), Marcumar (Nr. 8), Nagelpilz (Nr. 9), Neurodermitis (Nr. 10), Neuropathie/Polyneuropathie (Nr. 11), Rheuma (Nr. 12), Schuppenflechte (Nr. 13), Rollnägel (Nr. 14), Arthrose (Nr. 15), Hüftoperation (Nr. 16), pathologischer Zustand (Nr. 17), Prävention (Nr. 18).
Das Gericht gelangte zu der Auffassung, dass die Steuerfreiheit der podologischen Behandlungen nur dann von einer ärztlichen Verordnung abhängig gemacht werden kann, wenn das Vorliegen einer Heilbehandlung nicht in anderer Weise nachgewiesen werden kann. Die medizinische Indikation podologischer Behandlungen wird zwar regelmäßig nicht ohne ärztliche Eingangsdiagnose feststellbar sein (FG Köln vom 20.09.2007, Aktenzeichen 10 V 1781/07). Im Streitfall war jedoch eine Beurteilung des therapeutischen Zwecks der von der Klägerin erbrachten Leistungen der medizinischen Fußpflege aufgrund der zu den behandelten Patienten vorgelegten Unterlagen und des ärztlichen Privatgutachtens möglich, ohne dass es hierfür einer ärztlichen Verordnung zu den einzelnen Behandlungen bedurfte. 
Die streitigen Leistungen der medizinischen Fußpflege dienten im vorliegenden Fall nach Überzeugung des Senats überwiegend der Vorbeugung oder der Behandlung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen. Der Senat hat die Beurteilung des therapeutischen Zwecks hierbei auf der Grundlage des von der Klägerin eingereichten ärztlichen Privatgutachtens und der Ergänzung des Gutachtens sowie der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung der Vorerkrankungen der Patienten nach einzelnen Kategorien vorgenommen.
Im Hinblick auf die Patienten der Kategorien Hühneraugen (Nr. 6), Nagelpilz (Nr. 9), Schuppenflechte (Nr. 13) und Rollnägel (Nr. 14) folgt der therapeutische Zweck der Behandlungen unmittelbar aus der entsprechenden Erkrankung am Fuß der jeweiligen Patienten. 
Für die Patienten der Kategorie Rheuma (Nr. 12) ergibt sich der therapeutische Zweck der Behandlungen ebenfalls aus einer Erkrankung am Fuß der Patienten, da es nach der Ergänzung zum Gutachten bei diesen Patienten zu Deformierungen des Fußes kommt, die zur Bildung schmerzhafter Schwielen führen. Bei Patienten der Kategorie Hüftoperation (Nr. 16) liegt nach der Ergänzung zum Gutachten zwar mangels spezieller Gefährdung des Fußes keine besondere medizinische Indikation für eine podologische Therapie vor; im konkreten Fall folgt der therapeutische Zweck der Behandlung des betreffenden Patienten jedoch aus der extremen Hornhautbildung an den Füßen des Patienten.
 
Bei den Patienten der Kategorien Durchblutungsstörungen/pAVK (Nr. 5) und Neuropathie/Polyneuropathie (Nr. 11) dient die podologische Behandlung nach dem Gutachten der Vorbeugung von Gesundheitsstörungen, da die mit den vorliegenden Erkrankungen verbundene verminderte Durchblutung bzw. die Schmerzlosigkeit des Fußes neben weiteren Erkrankungen des Fußes eingewachsene Nägel nach sich ziehen, die nicht heilende chronische Wunden verursachen und letztlich zu Amputationen führen können. Bei den Patienten der Kategorien Chemotherapie (Nr. 2) und Cortison (Nr. 3) ist nach der Ergänzung zum Gutachten die Infektabwehr erheblich beeinträchtigt, so dass die podologische Behandlung aufgrund der hohen Infektionsgefährdung der Patienten ebenfalls der Vorbeugung von Gesundheitsstörungen dient. Dies gilt in gleicher Weise für die Patienten der Kategorien Bluter (Nr. 1) und Marcumar (Nr. 8), bei denen aufgrund der vorliegenden Erkrankung bzw. der Medikamenteneinnahme bei Verletzungen schwer stillbare Blutungen auftreten können. Eine Heilbehandlung zum Zweck der Vorbeugung liegt schließlich auch bei den Patienten der Kategorien Immunsuppressiv (Nr. 7) und Arthrose (Nr. 15) vor, bei denen die Infektabwehr nach den Erläuterungen in der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung ebenfalls erheblich beeinträchtigt ist.
Bei Patienten der Kategorie Diabetes (Nr. 4) ist der therapeutische Zweck der Behandlungen nur insoweit gegeben, als zugleich die Merkmale anderer Kategorien erfüllt sind, so dass die podologische Behandlung zum Zweck der Vorbeugung (Polyneuropathie, Bluter) bzw. der Behandlung (Hühneraugen) von Gesundheitsstörungen erfolgt. In gleicher Weise liegt bei den Patienten der Kategorien Neurodermitis (Nr. 10) und pathologischer Zustand (Nr. 17) eine medizinisch indizierte Behandlung nur insoweit vor, als diese sich unmittelbar auf krankhafte Veränderungen am Fuß (eingewachsene Nägel, extreme Hornhautbildung) bezieht. Soweit als pathologischer Zustand eine Beeinträchtigung der Infektabwehr gegeben ist, dient die podologische Behandlung der Vorbeugung von Gesundheitsstörungen.
Im Streitfall war nicht weiter zu prüfen, in welchem Umfang auch bei den Patienten der Kategorien Prävention (Nr. 18) eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin vorliegt, da für die Umsätze aus der Behandlung dieser Patienten die Kleinunternehmerbesteuerung des § 19 UStG Anwendung fand.Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen im Hinblick auf das Vorliegen einer ärztlichen Verordnung, die nach den Verwaltungsanweisungen für die Steuerfreiheit der Leistungen arztähnlicher Berufe grundsätzlich erforderlich ist.
Da auch das FG Köln (s.o.) ähnlich entschieden hat, wäre eine klärende Entscheidung durch den Bundesfinanzhof für alle Podologen und ihre Berater zu wünschen.

 

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